Die Ranen und das Fürstentum Rügen
Ab dem 7. Jahrh. nahmen die Ranen (Westslawen), die von der überwiegenden Mehrheit der Germanen verlassenen Gebiete Rügens und die umliegenden Küsten mit dem Festlandsbereich zwischen den Flüssen Recknitz (Ribnitz-Damgarten) und Ryck (Greifswald) friedlich in Besitz.
Sie vermischten sich mit der dort noch ansässigen germanischen Restbevölkerung und prägten diese Region des Ostseeraums, nicht nur durch noch heute geltende Orts- und Flurnamen (Samtens, Rambin, Ralswiek, Wittow, Rugard, Granitz u.s.w.), nachhaltig. Der Stammesname soll möglicherweise, darauf deuten Untersuchungen hin, mit dem germanischen Stamm der Rugier in Verbindung zu bringen sein, die bis zur ihrer Abwanderung zur Völkerwanderungszeit möglicherweise auch auf Rügen siedelten und der Insel den Namen gegeben haben könnten. Diese eigentliche Nebensächlichkeit würde die Ranen von den übrigen in die freien Siedlungsgebiete östlich der Elbe drängenden Slawen unterscheiden.
Die Ranen waren Ackerbauern, Viehzüchter, Handwerker, Fischer und trieben Handel im gesamten Ostseeraum. Ein wichtiger Seehandelsplatz war Ralswiek am südlichsten Punkt des heutigen "Großen Jasmunder Bodden" und Arkona am Nordkap der Insel.
Die Haupt- burgen Rugard (im heutigen Bergen auf Rügen) und Charenza (nach heutigen Erkennt- nissen in Venz bei Trent gelegen) waren Sitz des herrschenden Königs- und späteren Fürstengeschlechts der Ranen, wärend Arkona eine reine Tempelburg war. Das Reich der Ranen, eben begünstigt durch seine geographische Lage, war Dänemark, dem damals mächtigsten Königreich im Ostseeraum, ein ernst zu nehmender Konkurrent. Die Grundlage dieser starken militärischen Stellung bildete die ranische Flotte. Dänemark, das zu dieser Zeit zwar in Britannien und Skandinavien sehr erfolgreich war, konnte erst Anfang des 12. Jahrhundert den Ranen wirksam beikommen und seine Küste vor ranischen Heerzügen schützen. 1136 besiegte der dänische König Erik II. Emune ( *1100 - † 1137) die Ranen und eroberte die Tempelburg am heutigen Kap Arkona.
Nach dem Abzug der Dänen und der trotz Zusagen nicht durch- geführten Über- nahme des Christen- tums und ihres erfolgten wiedererstarkens, mußten sich die Ranen in den Folgejahren weiter Angriffen der Dänen, der Sachsen im Zuge deren Ostkolonisation unter Heinrich III dem Löwen ( *1130 - † 1195) und der Pommernherzöge erwehren. 1168 wurden die Ranen wiederum von einem dänischen Heer, diesmal unter König Waldemar I. dem Großen ( *1131 - † 1182) und seinem Heerführer und Berater Bischof Absalon von Roskilde ( *1128 - † 1201), heimgesucht. Durch die Eroberung der Haupttempelburg und Zerstörung des Hauptheiligtums, des Tempels für den mehrköpfigen Gott Svantevit, am Kap Arkona auf Rügen und einem Arrangement zwischen dem ranischen König Tetzlaw, dessen Bruder Jaromar und dem dänischen Bischof Absalon von Roskilde wurden die Ranen christianisiert und in Lehnshoheit zum dänischen König gebracht und waren damit faktisch als dänischer Widerpart ausgeschaltet.
Der damalige König Tezlaw ( *? - † 1181) und sein mitregierender Bruder Jaromar, der spätere Jaromar der I. ( *1141 - † 1218), übergaben ihren Stammsitz die Burg Charenza, mit dem dazugehörenden Tempel (nach heutigen Erkenntnisse in Venz bei Trent gelegen) nach Verhandlungen mit Bischof Absalon von Roskilde kampflos und ließen sich und ihre Gefolgsleute taufen. Durch die Anerkennung der Lehnshoheit des dänischen Königs, die Annahme des Christentums, die Zerstörung der "heidnischen" Tempel durch die Dänen und die hierdurch erfolgte Entmachtung der im Ansehen über dem König stehenden Svantevit Priester, sicherten sich Tetzlaw und Jaromar weiterhin die Herrschaft über Rügen und den angrenzendem östlichen Festlandsbereich. Tezlaw, Jaromar und ihre Nachfolger trugen von nun an den Titel eines Fürsten.
Sie und ihre Nachfolger trieben die Christianisierung im rügenschen Herrschaftsbereich, der sich neben der Insel Rügen und auf dem Festland bis zum Fluß Recknitz (noch heute die Grenze zwischen Vorpommern und Mecklenburg) im Westen, bis zu den Flüssen Trebel (Tribsees) und Ryck (Greiswald) und zeitweise südlich bis zur Peene (Anklam) im Südwesten und Süden erstreckten, über die Jahrzehnte durch die Errichtung zahlreicher Kirchen und Klöster vorran.
Nach dem Tode Tezlaws 1181, war sein Bruder Jaromar I. alleiniger Fürst von Rügen. Das rügensche Fürstentum behielt, trotz des Lehnsverhältnisses zum dänischen Königshaus, bis zum Aussterben der slawisch / ranischen Linie seine Eigenständigkeit.
Nach dem Tode Jaromars des I. 1218 wurde der erstgeborene Sohn Barnuta ( *? - † 1236) regierender Fürst von Rügen. Bereits 1221 trat er jedoch zurück und überließ die Herrschaft über das Fürstentum Rügen seinem jüngeren Bruder Wizlaw dem I. ( *1193 - † 1256) .
Dieser holte in diesem Jahr auch erstmals deutsche Kolonisten in das für damalige Zeiten eigentlich schon relativ dicht besiedelte ranische Land. Das setzte sich über die Jahrzehnte immer weiter fort und so stellten die Neusiedler mit der Zeit bald den größten und den damit die Region kulturell prägendsten Bevölkerungsteil. Das slawisch-kulturelle Element verschwand langsam und die Ranen gingen in der Folgezeit in die zunehmend wachsende deutschgeprägte Bevölkerung auf. Ende des 14. Jahrhunderts war, weil auch unter den Ranen das ostniederdeutsche Alltagssprache wurde, dann auch die ursprüngliche polabische Sprache (Elbslawisch, Dialekt des Westslawischen) der Ranen vollends verschwunden. Witzlaw der I. gestattete neben dem schon von seinen Vater Jaromar dem I. Ende des 12. Jahrh. in Bergen auf Rügen gegründeten Benediktinerkloster, welches dann aber nach innerhalb des Ordens durchgeführter Reformen Mitte des 13. Jahrh. nach Zisterzienserregeln geführt wurde, die Gründung von weiteren Zisterzienserklöstern in Greifswald und im heutigen Franzburg und er verlieh im Jahre 1234 Stralsund das lübische Stadtrecht und gewährte ihr zahlreiche Priviligen, wie diverse Fischereirechte und die Zollfreiheit. Unter Witzlaw dem I. erreichte das Fürstentum Rügen seine größte Ausdehnung.
Nachfolger Witzlaws des I. wurde dessen Sohn Jaromar der II. ( *1218 - † 1260) . Er war ein Förderer des Handels, sicherte u.a. lübischen Kauffahrern freies Geleit zu und schaffte das Strandrecht (Aneignung des Stranguts u.s.w.) ab. Nachdem 1249 Truppen Lübecks die Stadt Stralsund brandschatzten, hatte das einen vierjährigen Kaperkrieg auf lübische Schiffe zur Folge. Den Lübeckern wurden alle bisher gewährten Privilegien gestrichen, bis diese sich schließlich zur Zahlung einer Entschädigung entschlossen. Jaromar der II. erweiterte den Besitz der im Lande gelegenen Zisterzienserklöster. Er schenkte 1252 das Land Reddevitz (auf der heutigen Halbinsel Mönchgut) dem Kloster Hilda (Greifswald). Er förderte die Ansiedlung weiterer Mönchsorden, wie der Dominikaner und der Franziskaner, z.B. in Stralsund. 1255 verlieh er Barth und 1258 Damgarten das lübische Stadtrecht. Beim Streit zwischen dem dänischen König Christoph den I. ( *1219 - † 1259) und den Erzbischöfen von Lund, Jakob Erlandsen ( *? - † 1274) und von Roskilde, Peder Bang ( *? - † 1277), um die Vormachtstellung des Papstes und damit der Kirche über weltliches Recht (ähnlich der Streit des damaligen deutschen Königs Heinrichs des IV. mit dem Papst Gregor den VII. 1077 - Gang nach Canossa -) war Jaromar der II. ein leidenschaftlicher Parteigänger der kirchlichen Seite. Er landete im Auftrag des Papstes mit dem ins rügensche Exil geflohenen Bischof von Roskilde 1259 zuerst auf der Insel Bornholm und zerstörte dort die königliche "Lilleborg". Danach wurden Schonen / Skäne ( im heutigen Südschweden), die Insel Lolland und das Zentrum des dänischen Königreichs, die Hauptinsel Seeland, heimgesucht. Das Heer Jaromar des II. eroberte, plünderte und brandschatzte Kopenhagen, welches gerade erst 1254 das Stadtrecht erhalten hatte. Nach dem plötzlichen Tod König Christoph des I. stellte die Königswitwe Margarete Sambiria ( *1230 - † 1282) ein seeländisches Bauernheer auf, das aber von Jaromars Truppen ebenfalls vernichtend geschlagen wurde. Jaromar der II. wurde dann vermutlich von einer Bäuerin auf Seeland im Jahr 1260 aus Rache ermordet.
Sein Nach- folger auf dem Fürsten- thron wurde 1260 dessen Sohn Witzlaw der II. ( *1240 - † 1302). Dieser suchte seit Beginn seiner Herrschaft gute Beziehungen zur Hansestadt Lübeck und gewährte ihnen deswegen auch Zollfreiheit im Fürstentum und bestätigte bestehende Handelsverträge. Außerdem kam er der in seinem Herrschaftsbereich liegenden Stadt Stralsund sehr entgegen, indem er die von ihm in unmittelbarer Nähe errichteten Stadt Schadegard aufgab. 1283 schloß Witzlaw der II., die Herzöge von Pommern, Sachsen-Lauenburg, die Herren von Schwerin und Dannenberg, die Rostocker Ritterschaft, die Hansestädte Stralsund, Greifswald, Stettin, Anklam, Demmin, Rostock, Wismar und Lübeck das "Rostocker Landfriedensbündnis", in dem man sich auf ein zehnjähriges Gewaltverzicht bei der Durchsetzung möglicher eigener Rechtsansprüche verpflichtete. 1290 erhielt Stralsund mit dem Handelsmonopol auf der Insel Rügen, dem Recht des Heringsfangs auf Wittow weitere Privilegien. Die kamen zwar Stralsund sehr entgegen, behinderte aber die Entwicklung des Handels und Gewerbes auf der Insel selbst. Witzlaw der II. starb am 27.12.1302 in Oslo. Wo er, nach einem Treffen in der Nähe des heutigen Göteborg mit dem norwegischen König Håkon dem V. ( *1270 - † 1319), dem schwedischen König Birger Magnusson ( *1280 - † 1321) und dessen Bruder Erik Magnusson ( 1282 - † 1318), dem dänischen Grafen Jacob Nielsen von Halland ( *? - † 1308), mit seiner gesamten Familie und Verwandten hinreiste um das Weihnachtsfest zu feiern.
Nach seinem Vermächtnis teilten sich nun die Söhne Witzlaw der III.( *1265 - † 1325) und Sambor ( *1267 - † 1304) den Fürstenthron Rügens. Ab 1304, nach Sambors Tod, regierte Wizlaw bis 1325 allein. Die Regierungszeit Wizlaws des III. verlief alles andere als friedlich. Er wurde in Kriege seines Lehnsherren, des dänischen Königs Erik dem VI. Menved ( *1274 - † 1319), mit dem Markgrafen Waldemar von Brandenburg dem Großen ( *1280 - † 1319) und den Hansestädten um die Vorherrschaft im Ostseeraum, hineingezogen. Dazu war besonders zu Stralsund, der mächtigen Hansestadt in seinem Fürstentum, das Verhältnis angespannt. 1313 versuchte er wieder mehr Einfluss über die Stadt zu erlangen und wollte daher Einschränkungen des lübischen Stadtrechts erzwingen. Stralsund verbündete sich 1314 daher mit dem brandenburgischen Markgrafen und dem rügenschen Landadel gegen ihren Landesherren. 1316 zog Witzlaw auf Seiten des Herzog Erich des I. von Sachsen - Lauenburg ( *1285 - † 1360), der schon 1313 Rostock erobert hatte, mit einer dänischen Belagerungsflotte gegen Stralsund. Die Belagerung schlug zwar fehl und endete mit einer Niederlage aber der Krieg gegen den Brandenburger Markgrafen ging siegreich aus und es kam 1317 zu einem Friedensschluss. Witzlaw der III. hatte sich aber finanziell verausgabt und musste zu guter Letzt Stralsund, zur Aufbesserung seiner Finanzen, noch mehr Privilegien gewähren.
So verfändete er die fürstlichen Zölle, die Gerichtsbarkeit und trat gegen eine Geldsumme seine fürstliche Münze ab. In Absicherung, eventuell ohne männlichen Nachkommen zu sein, setzte Wizlaw der III. seinem Lehnsherren dem dänischen König Erik den VI. Menved als direkten Erbe des Fürstentums ein. Mit dem Tode Erik Menveds 1319 wurde der Erbvertrag hinfällig. So kam es 1321 zu einem Erbverbrüderungsvertrag mit dem Herzog Wartislaw den IV.( *1290 - † 1326) von Pommern-Wolgast. Wizlaw der III. war zweimal verheiratet. Die erste Ehe blieb kinderlos. In zweiter Ehe hatte Wizlaw dann eine Tochter und endlich den lange ersehnten Nachfolger. Doch dieser starb, vermutlich etwa dreizehnjährig, 1325. Wizlaw starb kurz darauf wohl an gebrochenem Herzen, weil er den Tod seines einzigen Sohns, der ja auch der letzte männliche Spross des Fürstengeschlechts war, nicht verkraften konnte.
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Die Daten und Informationen stammen nach Recherchen aus zahlreichen verschiedenen Quellen, u.a. Geschichtsbüchern der letzten 60 Jahre, Wikipedia und Museumsbesuchen.
Im Andenken an den Autor dieser Seite, meinen am 30. März 2012 verstorbenen Bruder, Heiko Amling.